Feiern und Fasten bei Christen und Muslimen in Bulgarien
 von Inge Seiwert

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Irene Ziehe:
RUND UND SCHÖN. 10 Jahre Europäischer Ostermarkt             
Heft 3 der Kleinen Schriften des Museums Europäischer Kulturen, Berlin 2003
Preis: 10,--€ zzgl. Versand+Porto, online zu bestellen mit Bestellformular

Erst durch den Zerfall Jugoslawiens wurde vielen Europäern bewusst, dass es in Europa Muslime gibt, die hier nicht als Gastarbeiter, durch ein Studium oder als Asylbewerber eine Heimat fanden. Muslime auf dem Balkan sind auch nicht nur die Türken, die nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches auf dem Balkan verblieben. Zu ihnen zählen auch die Nachfahren derjenigen, die während der Herrschaft der Osmanen freiwillig oder zwangsweise den neuen Glauben annahmen und bis heute an ihm festhalten. Die bekanntesten europäischen Muslime sind die Bosnier, aber auch ein großer Teil der Albaner, die bulgarisch sprechenden Pomaken und ein Teil der Roma bekennen sich seit Jahrhunderten zu dieser Religion. Nach einer Volkszählung vom Dezember 1992 gab es beispielsweise in Bulgarien 7.373.246 Christen und 1.078.327 Muslime. Christen waren 98 % der Bulgaren, 60,1 % der Roma und 1,1 % der Türken. Muslime waren 98 % der Türken, 39,2 % der Roma und 2 % der Bulgaren (Pomaken) .
Während es im Prozess des Zerfalls des ehemaligen Jugoslawiens immer wieder den Anschein hatte, dass die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Religionen der Grund für die Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Völkern oder ethnischen Gruppen war, liefert die Geschichte auch Beispiele dafür, dass dies in der vormodernen Gesellschaft des Balkans durchaus nicht immer so war.
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In der vormodernen Zeit gab es ein ständiges Mit- oder Nebeneinander der unterschiedlichen ethnischen und religiösen Gruppen auf dem Balkan. Auf den Arbeitsalltag bezogen bedeutete das, dass viele Handwerkszweige sowie der Handel in den Händen von bestimmten Gruppen lagen, Bodenbau und Viehhaltung hingegen von allen ethnischen und religiösen Gemeinschaften gleichermaßen betrieben wurden.
Auch heute bemerkt man in den bulgarischen Rhodopen die Zeichen der unterschiedlichen Glaubenszugehörigkeit. In dem einen Dorf leuchtet eine frisch renovierte orthodoxe Kirche, in einem anderen eine neu verputzte kleine Moschee. Nicht selten stehen Moschee und Kirche in friedlicher Nachbarschaft vereint.
Das traditionelle Leben wurde auch auf dem Balkan seit ältester Zeit vom Rhythmus der Natur und vom landwirtschaftlichen Kalender bestimmt. So entwickelten sich Feste und Bräuche, die den Dank für die vorangegangene Ernte, die Bitte um Segen für das Gedeihen der kommenden Aussaat und die Bitte um Gesundheit und Wohlergehen der Menschen zum Inhalt hatten. Das ausgehende alte Jahr und der herannahende Frühling werden besonders ausgiebig gefeiert. Dabei ist man sich heute meist nicht mehr der Wurzeln dieses Brauchtums bewusst. Die Feste des Jahres sind in starkem Maße von den Religionen überlagert, und die Trennung in muslimische und christliche Bräuche und Feste lässt die vorangegangenen Gemeinsamkeiten scheinbar verblassen.
Bulgarien wurde zwischen 1944 und 1989 wesentlich stärker als die DDR von einem staatlich propagierten Atheismus geprägt. Die religiös dominierten Feste wurden ausschließlich im familiären Rahmen gefeiert. Nur wenige, vor allem ältere Bulgaren bekannten sich damals noch zu ihrem Glauben.
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Bei allen Religionsgruppen war nach 1989 eine verstärkte Hinwendung zum Glauben zu bemerken. Äußerliches Zeichen sind die vielen bereits erwähnten kleinen Kirchen und Moscheen, die selbst in abgelegenen Dörfern das heutige Erscheinungsbild prägen. Während in früheren Jahrzehnten vor allem ältere Menschen die Gotteshäuser aufsuchten, sind es nun Vertreter aller Altersgruppen. Besonders viele Menschen kommen an den großen Festtagen in die Kirchen oder Moschee. Nicht nur der Glaube an Gott hat zugenommen. Auch die Feste des Jahres werden inzwischen mit all ihrem besonderen Brauchtum wieder sehr ausgiebig gefeiert.

Fasten und Feiern bei den Christen Bulgariens
Fastengebote gibt es in vielen Religionen der Welt. Orthodoxe und katholische Christen kennen im allgemeinen zwei große Fastenzeiten im Jahreslauf . Für die orthodoxen Christen Bulgariens sind das die 48 Tage vor Ostern sowie die beiden Monate vor Weihnachten (November und Dezember). Außerdem fasten sie in der Woche vor dem Petrovden (Juni) und in den zwei Wochen vor Mariä Himmelfahrt (August). Früher gab es für die orthodoxen Christen Bulgariens außerdem noch zwei wöchentliche Fastentage (am Mittwoch und Freitag) und drei absolute Fastentage vor jedem Abendmahl. Das Fasten beinhaltet bei ihnen die Abstinenz von Fleisch, Eiern, Milchprodukten, Fisch , Öl und Wein. Empfohlen werden dagegen alle verfügbaren Obst- und Gemüsearten sowie Kräuter. Alle Speisen sollen in der Fastenzeit ausschließlich mit pflanzlichem Fett bereitet werden.
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Sowohl in der Zeit vor Ostern als auch vor Weihnachten konnten wir bei den orthodoxen Bulgaren kein strenges Fasten beobachten. Ähnlich wie bei uns, bemühen sich manche heute um ein "Teilfasten", d.h. sie wählen sich bestimmte Speisen aus, auf die sie während der Fastenzeit oder an einigen Tagen davon freiwillig verzichten.
Die bedeutendste Fastenzeit der christlichen Bulgaren ist die vor Ostern. Es gibt das "Kleinfasten" oder "Fleisch-Fasten", das nach dem Nedelja Mesopustna oder Mesni zagovesni (acht Wochen vor Ostern; im Jahr 2003 nach dem 2. März) beginnt . In manchen Gegenden gehen an diesem Tag Jungvermählte vor dem Abendessen zu ihrem Trauzeugen, dem Brautführer, den Eltern der Braut und nahen Verwandten und bringen ihnen Brotkringel, Huhn und Wein. Abends isst man gegartes Huhn, wobei im Topf ein Wergfaden mit gekocht wird. Diesen bindet man danach den kleinen Kindern um die Hände, damit sie gesund bleiben . Die folgende Woche heisst "sirnica" (Käsewoche). In dieser Woche ist es noch erlaubt, Milcherzeugnisse und Eier zu essen. Es ist eine Übergangswoche zwischen Winter- und Frühlingsbräuchen. In Bulgarien soll man in dieser Woche weder stricken noch nähen, weil dadurch die wachsende Saat gestört werden könnte. Man soll nicht waschen, und man soll auf gar keinen Fall weiße Wäsche auf die Leine hängen, weil sonst im Sommer Hagel drohe.
Das "Große" oder eigentliche Osterfasten beginnt nach dem Nedelja siropustna oder Sirni zagovezni (im Jahr 2003 am 9. März) . Von nun ab sind auch Eier und Milcherzeugnisse zu meiden.
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Bis heute haben sich viele Elemente der traditionellen Familienbeziehungen in Bulgarien erhalten. So ist es noch immer üblich, dass zu Sirni zagovezni die jüngeren Leute die älteren um Vergebung bitten, und dass Jungvermählte ihre Trauzeugen, ihre Eltern und Paten besuchen. Versöhnt und gereinigt beginnt man dann zu fasten.
Für die Kinder hat der Abend des Sirni zagovezni eine besondere Bedeutung. Die Erwachsenen bereiten für sie hamkane vor.
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Nach einer anderen Quelle wird außer weißem Halva auch ein Stück Käse oder ein gekochtes Ei mit einem Woll- oder Hanffaden an einen Spinnrocken gebunden, den die Großmutter des Hauses hin und her pendelt. Berichtet wird auch, dass der Faden, nachdem alles von den Kindern geschnappt wurde, angezündet wird. Aus der Art des Verbrennens werden Rückschlüsse auf die zu erwartende Gesundheit der Familienangehörigen und die Fruchtbarkeit der Äcker gezogen. Die Asche soll aufbewahrt werden und als Heilmittel gegen Augenerkrankungen der Haustiere dienen. Das hamkane wird bis heute durchgeführt. Eine schon viele Jahre mit ihrer Familie in Leipzig lebende Bulgarin erzählte mir, dass sie sich immer gern gerade an diesen Brauch in ihrer Kindheit erinnert und dass sie dies mit ihren Kindern auch in Leipzig durchgeführt habe. Am Abend des Sirni zagovezni werden die vorher zusammengetragenen Reisighaufen angezündet. Man schätzt die reinigende Kraft des Feuers als Voraussetzung für Fruchtbarkeit und Gedeihen. Im Schein des Feuers tanzen die Dorfbewohner zum letzten Mal vor Ostern den auf dem ganzen Balkan beliebten Reigen (horo). Man gibt sich Mühe, hoch zu springen, damit die Saat hoch wird. Ein alter Brauch war das "Pfeil-Werfen", bei dem die jungen Männer brennende Pfeile in die Gärten ihrer Angebeteten schossen. Die Feier dauert bis tief in die Nacht. Wenn am Morgen das Feuer herunter gebrannt ist, springen die jungen Männer und Kinder über die Glut.
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Nach dem Palmsonntag beginnt die "Große Woche" oder "Leidenswoche". Es ist die letzte Fastenwoche und Zeit für die unmittelbaren Vorbereitungen auf Ostern. Velikden (Großer Tag, Ostern) ist eines der größten und beliebtesten Feste der christlichen Bulgaren. Bis zum Mittwoch soll ein gründlicher Hausputz beendet sein. Vom Großen Donnerstag an bis zum Ende des Festes sollte weder Haus- noch Feldarbeit erledigt werden. Am Großen Donnerstag werden die Eier für das Fest gefärbt. Man soll damit vor Sonnenaufgang beginnen. Das erste Ei wird bis heute rot gefärbt. Es ist üblich, daß die Mutter mit ihm drei Mal die Wangen und Stirn ihrer Kinder bestreicht und dabei sagt: "Werde ein rotes (gesundes) Mädchen", "Werde ein roter (gesunder) Junge", "Weiß und rot, heil und gesund". Dieses Ei wird dann bis zum nächsten Großen Donnerstag an der Hausikone aufbewahrt. Man glaubt, dass es heilkräftige Wirkung hat und im Sommer Hagel abwehrt, wenn man es am Georgstag (6. Mai) bei sich trägt und damit die Felder aufsucht. Ein Jahr später wird dieses Ei am Großen Donnerstag von der Ikone genommen. Man zerschlägt es und glaubt, dass bei einem wohlriechenden Innern der Familie nur Gutes bevorsteht. Die Reste des Eis werden verfüttert. Man darf sie nicht ins Wasser oder auf den Boden werfen. Verströmt der "Hausgeist" aber schlechte Gerüche, dann drohen der Tod eines Familienmitgliedes oder andere Übel. Eine Bulgarin erzählte mir, dass sie immer Angst vor einem schlechten Ei habe und es daher immer ganz weit wegwerfe, um einem Risiko zu entgehen. Die übrigen frisch gefärbten Eier werden in ein Sieb gelegt, das man mit einem roten Tuch bedeckt und in die Sonne stellt, damit sie deren Kraft aufnehmen können.
Ursprünglich wurden die Eier vor allem rot gefärbt. Später gab man ihnen mit Hilfe von Lindenblättern, Zwiebelschalen, Wurzeln und Rinden verschiedener Pflanzen auch andere Farben. Bemalte Eier sind in einigen Gegenden Bulgariens bis heute beliebte Geschenke für Paten, Trauzeugen, nahe Verwandte oder gute Freunde. Neben Pflanzenmotiven werden dabei auch Sonnenräder und Spiralen, früher sogar Fische, Menschen und anderes gestaltet. Beim Verzieren unterscheidet man zwei verschiedene Techniken. In beiden Fällen werden die Linien mit Wachs aufgetragen. Bei der ersten Technik, die um Sofia und Ihtiman zu Hause ist, füllt man danach die Innenflächen der Ornamente mit farbiger Eitempera. Die zweite Technik ist in den Gebieten um Samokov, Kostenec, Velingrad, Rakitovo und Alfatar verbreitet. Hier legt man die Eier nach dem Auftragen der Wachsornamente in ein heißes rotes Farbbad. So entsteht ein Muster aus weißen Linien auf rotem Grund (Wachs-Reservetechnik). Zum Malen wird heute überall der gleiche Malgriffel (pisalka) verwendet: In ein Holzstäbchen wird ein spitz zulaufendes, vorzugsweise aus einer Silbermünze gefertigtes Röhrchen eingesetzt. In die breitere Öffnung führt man dann zum Arbeiten ein stiftartig gerolltes Stückchen Bienenwachs ein. Wenn man nun den Malgriffel über eine brennende Kerze hält, beginnt sich das Wachs zu verflüssigen und kann so zum Auftragen der Ornamente benutzt werden. Auf einige Eier werden zusätzlich zu einem geometrischen Grundmuster mit Wachsklümpchen noch kleine Wollbüschel aufgeklebt. Sie werden als ganz besondere Geschenke Freunden und Taufpaten überreicht. Am Großen Donnerstag bereiten die Frauen nicht nur die Ostereier, sondern auch einen neuen Hefeansatz für den Brotteig. Der Ansatz soll sicher verwahrt bleiben, denn man glaubt, dass Fruchtbarkeit und Reichtum aus dem Hause gehen, wenn jemand davon nimmt. Häufig werden Eier, z.B. als Kreuz, in die Osterbrote eingebacken. Manchmal sind es so viele Eier, wie Familienmitglieder im Haus wohnen. Auch die Schalen dieser Eier sollen Heilkraft besitzen. Am Freitag waschen sich die Frauen morgens mit Wasser, in dem ein Sträußchen sdravec (Geranie) gelegen hat. Anschließend werden die Brote zur Weihe in die Kirche getragen. Am Sonnabend geht man auf die Friedhöfe und besucht die Verstorbenen. Zu den Opfern für die Verstorbenen gehören gekochte Eier, Brot und Kerzen. Am Sonnabendabend finden sich alle in der Kirche zur heiligen Liturgie ein. Um 24 Uhr läuten die Glocken und die Priester verkünden die Auferstehung Christi. Man beglückwünscht sich mit den Worten "Hristos v²zkrese" (Christus ist auferstanden), worauf der so Gegrüßte antwortet: "Da, Hristos v²zkrese" (Ja, Christus iat auferstanden). Mit einer geweihten brennenden Kerzen kehren die Menschen in ihre Häuser zurück, wo sie die Flamme als "ewiges Licht" bewahren. Nun werden die Weihbrote gebrochen und Ostereier gegessen. Die Zeit des Fastens ist vorüber. Am Sonntag und in der darauffolgenden Woche besuchen die Jungvermählten ihre Trauzeugen und die Eltern der Braut und beschenken sie mit Broten und gefärbten Eiern. Überall wird gesungen und getanzt. An die Bäume bindet man erstmalig wieder Schaukeln. Man schaukelt, um gesund zu bleiben. Kinder und Erwachsene beginnen aus Spaß, die einfarbig gefärbten Ostereier aneinander zu schlagen. Derjenige, dessen Ei ganz bleibt, wird in den kommenden Monaten gesund und stark sein. Außerdem bekommt er das angeschlagene Ei geschenkt. Die Schalen der gefärbten Eier bringt man auf die Äcker, damit diese fruchtbar werden. Am Sonntag nach Ostern werden nochmals Eier bemalt und gefärbt. Sie sind für die verstorbenen Familienangehörigen bestimmt. In Bulgarien glaubt man, dass zwischen dem Großen Donnerstag und dem Spasovden (Christi Himmelfahrt) Gott die Seelen der Verstorbenen auf der Erde spazieren gehen läßt. Meist sind auch diese Eier rot, in Teilen Mazedoniens und Bulgariens aber auch schwarz.
Das gesamte Osterbrauchtum erlebte in Bulgarien nach der politischen Wende eine starke Wiederbelebung. In Schulen, den ¹italiëta und ganz besonders in den Museen finden in Vorbereitung des Osterfestes workshops und Veranstaltungen zum Bemalen der Ostereier bzw. zur Erläuterung des Osterbrauchtums statt. Im März 2001 nahmen wir an einem solchen workshop im Sofioter Ethnographischen Museum teil. Zunächst wurde den Teilnehmern in einer kleinen Ausstellung das Osterbrauchtum erläutert. Danach zeigte eine Velingraderin den Kindern und Jugendlichen, wie man in Velingrad Eier verziert. Jeder konnte eigene Versuche machen, diese dann färben und mit nach Hause nehmen. Eine Velingrader Firma hatte für diese workshops "Mal-Sets" vorbereitet. So konnten interessierte Teilnehmer einen Malgriffel, Farbe und eine Ornamentübersicht mit nach Hause nehmen. Man erzählte uns, dass diese Firma ähnliche Veranstaltungen in vielen Städten Bulgariens organisiert und finanziell unterstützt.

Fasten und Feiern bei den Muslimen Bulgariens
Auch die Muslime kennen jahreszeitliche Feste, die von vorislamischem Brauchtum bestimmt sind und in enger Verbindung zum natürlichen Jahresablauf stehen.
Zu diesen gehört auch das vom Alten Iran ausgegangene Nouruz-Fest, das gewöhnlich zur Frühjahrs-Tagundnachtgleiche begangen wird. Auf den Balkan gelangte es als religiöses Fest (nevruz) über den Derwischorden der Bektaschiya . Von muslimischen Albanern wird es bis heute am 15. März als Frühlingsfest gefeiert.
Den 6. Mai feiern die Muslime des Balkans wie die Christen. Während die letzteren an diesem Tag den Heiligen Georg ehren, wird von den islamischen Gemeinden H²derlez (Edrelez) begangen. Nach einer Legende sollen sich am 6. Mai al-Hadir und Elias begegnen, nachdem sie ein Jahr in verschiedenen Richtungen um die Welt geritten sind. Für sie schlachten die bulgarischen Muslime, ähnlich wie ihre christlich-orthodoxen Landsleute für den Heiligen Georg, erstmalig im laufenden Jahr ein männliches Lamm. Die Christen schmücken es mit einem Blumenkranz und führen es vor dem Schlachten zur Kirche. Die Muslime färben das Fell des Opferlamms mit Henna rot, wobei sie ein besonders starkes, gesundes Tier aussuchen. Man sagt, dieses Opfertier trage dereinst auf seinem Rücken die Seelen der Toten über die Brücke, die die Hölle vom Paradies trennt. Beide Konfessionen gehen in ganz ähnlicher Weise mit dem Blut des getöteten Tieres um. Sie geben es in ein fließendes Gewässer, damit sich die Fruchtbarkeit verbreite. Sie vergraben die Knochen in einem Ameisenhaufen, damit sich die Lämmer wie die Ameisen vermehren. Muslime und Christen sind überzeugt, dass am 6. Mai die Blumen und Kräuter eine besondere Heilkraft haben. Sie pflücken sie, um daraus Sträuße zu binden, mit denen sie dann ihre Häuser schmücken.
Neben diesen jahreszeitlichen Festen feiern die Muslime des Balkans natürlich vor allem die Feste des islamischen Jahres. Von besonderer Bedeutung sind der Große Bajrjam (auch: ramazan bajrjam) und der Kleine Bajrjam (auch: kurban bajrjam). Früher wurde drei Monate vor dem Großen Bajrjam (Redûep, žabat, Ramazan) streng gefastet. R. Popov notierte eine Überlieferung aus dem Dorf Sirnica in den Rhodopen, derzufolge man vor der Annahme des Islam ganzjährig auf Fleisch verzichtet haben soll. Heute beachtet man das Fasten nur im eigentlichen Fastenmonat Ramazan. Während dieser Zeit ist es verboten, zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang zu essen, zu trinken und zu rauchen. Für alle Muslime gilt das Fasten in diesem Monat als eine der fünf Säulen des Islam. In der 2. Sure des Koran heißt es: "179. (183.) O ihr, die ihr glaubt, vorgeschrieben ist euch das Fasten, wie es den Früheren vorgeschrieben ward; vielleicht werdet ihr gottesfürchtig. 180. (184.) Gezählte Tage! Wenn aber einer unter euch krank ist oder auf Reisen, (der faste die gleiche) Anzahl von andern Tagen; und sie, die es vermöchten (und nicht fasten), sollen zur Sühne einen Armen speisen." Die Speisung von Armen in der Fastenzeit wird nicht nur als Sühne, sondern darüber hinaus auch als Gebot, Ärmeren gegenüber wohltätig zu sein, empfohlen.
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Den Beginn und das Ende des Fastenmonats und die Zeiten des täglichen Fastenbrechens erfährt man heute aus einem islamischen Jahreskalender, einem kleinen Heftchen, das im äußeren Aufbau dem Kalender der orthodoxen Christen gleicht. Über den Fastenmonat, das bevorstehende Ende und die damit verbundenen Feiern wurde während unseres Aufenthalts im Dezember 2002 sowohl im zentralen als auch regionalen Fernsehen ausführlich berichtet.
Das Fasten im neunten Monat des islamischen Mondkalenders ist nicht nur ein Nahrungsentzug. Die Muslime sollen diese Zeit als gewollte und akzeptierte Entbehrung empfinden. Sie sollen Gott und dem Glauben näher kommen und auch die Nähe zu ihren Mitmenschen suchen. Wie in vielen Konfessionen üblich, sind auch die Muslime angehalten, in dieser Zeit einander zu vergeben.
Der Große Bairam, das Ende der Fastenzeit, wird 3-4 Tage lang gefeiert. Die Frauen haben im Vorfeld eine Menge gekocht und gebacken: banica (mit Käse, Quark, Reis und Eiern gefüllter Strudel), ka¹amak (Maisbrei), eine Suppe aus Eierteigwaren und Bohnen, Pilaw (Reis mit Gemüse und Rind- oder Lammfleisch), baklava (Blätterteiggebäck), halva (süße Leckerei aus Sesam oder Sonnenblumenkernen) und Scherbet. Die Familien besuchen einander. Die jungen Leute hängen Schaukeln in große Walnußbäume und spielen. Alle Jugendlichen dürfen frei miteinander umgehen, nicht erlaubt ist lediglich, sich an den Händen zu fassen. Oft sammeln sich die heiratsfähigen Mädchen und singen gemeinsam Lieder, die ihre Sehnsucht nach Heirat zum Ausdruck bringen. Mancherorts finden während dieser Festzeit auch Maskenspiele statt. Auch hierbei verkleiden sich Männer als Frauen. Einige von ihnen schwärzen sich mit Ruß das Gesicht und schultern einen Sack mit Asche, die sie dann über die Umstehenden ausstreuen. Zwei Junggesellen werfen sich eine Decke über die Schultern und werden so zu "Bären", die von einem "Bärenführer" zum Heischegang durch das Dorf geführt werden, wo sie für ihr Segen bringendes Erscheinen von den Hausfrauen Mehl, Eier oder mekici erhalten.
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Die Muslimen Bulgariens haben offensichtlich viele der alten balkanischen Traditionen und Bräuche bewahrt. In Draginovo erzählte man uns, dass die Frauen am Nachmittag des Ramazan bajrjam auch ihre christlichen Nachbarn mit Festbroten aufsuchen, um sie zu beschenken. Genauso selbstverständlich ist es, dass die Christen zu Ostern ihre muslimischen Nachbarn mit gefärbten Ostereiern überraschen. Nachbarschaft und gemeinsames kulturelles Erbe prägen das Miteinander. Die unterschiedliche Religion wird dabei als selbstverständlich respektiert.


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