Rede zur Verabschiedung von Konrad Vanja, 21.12.2012, Elisabeth Tietmeyer

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Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Generaldirektor, meine Damen und Herren, liebe Kollegen und Freunde von Herrn Vanja, lieber Konrad,

auf Deiner letzten Ausstellungseröffnung einer Präsentation der Geschichte von Weihnachtspyramiden - das war vor drei Wochen - sagtest Du, dass sich damit Dein persönlicher Kreis in der Museumsarbeit geschlossen habe. Du habest Dich schon Anfang der 1980er Jahre mit der Kulturgeschichte des Erzgebirges im damaligen Museum für Deutsche Volkskunde beschäftigt. Deine Motivation nach Berlin zu kommen bestand nach Deinen eigenen Worten darin, den Osten Deutschlands aus eigener Anschauung kennen zu lernen - und Dein größter Wunsch als Europäischer Ethnologe und Kulturhistoriker sei für Dich gewesen, in dem wichtigsten volkskundlichen Museum der Bundesrepublik Deutschland zu arbeiten. Dieses hatte Mitte der 1970er Jahre seine kulturvergleichende Dauerausstellung zur Lebens- und Arbeitswelt der Unter- und Mittelschichten im 19. und 20. Jh. in Deutschland eröffnet, u. a. mit Deinem - leider jüngst verstorbenen - Chef Theodor Kohlmann hattest Du viele Ausstellungen mit einer großen inhaltlichen Bandbreite organisiert.
Doch Dein Interesse für die Erforschung und Präsentation von europäischer Populargrafik wurde vor allem durch die ebenfalls verstorbene Christa Pieske, der deutschen Nestorin der volkskundlichen Bildforschung, geweckt und befördert. Zusammen mit ihr und Theodor Kohlmann hast Du Mitte der 80er Jahre unvergessene Ausstellungen wie "Bilder für Jedermann" und vor allem "Das ABC des Luxuspapiers" realisiert - der Katalog des ABC wird heute noch angefragt, denn er ist das Standardwerk zum Thema "Luxuspapier". Dein großes, bis jetzt andauerndes Engagement für den von Christa Pieske initiierten und von Dir mitbegründeten internationalen "Arbeitskreis Bild Druck Papier" gehört zu Deiner besonderen Leidenschaft. Dieser Arbeitskreis tagt alljährlich - umfasst stets mehr als 100 Teilnehmer aus verschiedenen Städten in Deutschland, Italien, Frankreich und der Schweiz - und Du bist nun der Vorsitzende; institutionell soll der Arbeitskreis weiter am Museum Europäischer Kulturen angesiedelt sein. Nicht nur aus diesem Grund wirst Du uns verbunden bleiben.
Der wohl wichtigste Einschnitt in Deinem beruflichen Leben (und nicht nur in Deinem) war 1992 die Wiedervereinigung der Staatlichen Museen zu Berlin, vor allem der beiden volkskundlichen Teilmuseen unter der Ägide von Theodor Kohlmann und der damaligen Direktorin des Museums für Volkskunde in Ost-Berlin Erika Karasek. Der Umzug der Sammlungen des Museums für Volkskunde Ost ins westliche Berlin und die anschließende Neustrukturierung von damals 240.000 Objekten waren ein hartes Stück Arbeit. Auch war die Kollegenschaft plötzlich doppelt so groß geworden - und das war ebenfalls ein hartes Stück Arbeit; aber von allen Kollegen, besonders auch von Dir, war der unbedingte Wille da, gemeinsam die Zukunft des wiedervereinten Museums zu gestalten - mit Erika Karasek als Direktorin und Dir als ihren Stellvertreter. Das nunmehr als Museum für Volkskunde genannte Haus sollte europäischer werden - das Adjektiv "deutsch" wurde deswegen schon bei der Wiedervereinigung der Teilmuseen fallen gelassen, weil der national und Schichten orientierte Ansatz in Forschung und Sammlung ohnehin längst überwunden war. Vor allem Du, Konrad, hattest Dich schon in Deinem Studium bei Ingeborg Weber-Kellermann für interethnische und intersoziale Beziehungen interessiert. An der ersten Ausstellung in Deutschland zum Thema Migranten (damals noch als "Gastarbeiter" bezeichnet) warst Du beteiligt - und das war bereits 1972! Und Du hattest auch immer Kontakt zu den Kollegen der Abteilung Europa im benachbarten Museum für Völkerkunde (heute Ethnologisches Museum) - und das aus verständlichen Gründen: Denn wie kann man Deutschland ohne Europa und umgekehrt Europa ohne Deutschland betrachten?! Was lag also näher, als die volkskundliche Sammlung Deutschlands mit der völkerkundlichen Sammlung Europas zusammenzuführen - nicht zuletzt weil sie vom Sammel- und Ausstellungsansatz gleich strukturiert waren. Als ich 1993 die Leitung dieser Abteilung Europa übernahm, trat auch ich in Dein Berufsleben - fest entschlossen, mit Dir und Deinen Kolleginnen die Fusion des Museums für Volkskunde und der Abteilung Europa voranzubringen - denn ohne die Zusammenführung mit dem Museum für Volkskunde wäre die Abteilung Europa im Museum für Völkerkunde auf verlorenem Posten geblieben - das hatte ich schnell erkannt. Und die volkskundlichen Sammlungen sollten in einen internationaleren Kontext gebracht werden - das stand dem Haus auch gut zu Gesicht - es war also für beide Institutionen eine win-win Situation. Der Weg zu einem gemeinsamen Museum war nicht einfach - aber lehrreich - wir haben unendlich viel voneinander gelernt und uns mit Respekt behandelt. 1999 erfolgte dann die Gründung des Museums Europäischer Kulturen. Erika Karasek hatte als Direktorin das Haus bis dahin gut bestellt, so dass Du, Konrad, es erst kommissarisch, dann als Direktor übernehmen und Deine eigenen Schwerpunkte setzen konntest, ohne die bisherigen aufzugeben - dazu gehörte in jedem Fall die thematisch aufbereitete Populargrafik. Im weitesten Sinne bist Du auch darüber zu Deinem "regionalen" Schwerpunkt Polen gekommen. Denn die grafische Popularisierung des sich in der Alten Nationalgalerie befindlichen Gemäldes von Dietrich Monten zu den polnischen Freiheitskämpfen 1831 hat Dein bereits bestehendes Interesse an der Kulturgeschichte Polens verstärkt. Mit diesen Grafiken und etlichen anderen Objekten aus unserer Sammlung hast Du 2001 Deine erste deutsch-polnische Ausstellung mit dem Titel "Finis Poloniae 1831. Polnisches Schicksal, deutsches Gemüt und europäische Solidarität" in unserem Museum präsentiert - mit einem unerwarteten Erfolg.
Von da an hat Dich die Beschäftigung mit Polen nicht mehr losgelassen. Dazu gehörten vor allem die Sammlung von ethnografischen Objekten und Werken naiver Kunst aus Polen des Sammlerehepaars Christina und Hans Joachim Orth. Das Wichtigste war für Dich die Kooperation mit den polnischen Kollegen, vor allem auch mit der polnischen Botschaft in Berlin und vielen anderen, die mit Polen zu tun hatten. Dabei herausgekommen sind außergewöhnliche Gemeinschaftsausstellungen, vor allem jene Wanderausstellung "Frühling im Herbst. Vom polnischen November zum deutschen Mai. Das Europa der Nationen 1830-1832", in der es um ebenfalls um die Freiheitskämpfe ging und die seit 2003 an über 30 Stationen in Deutschland, Polen, Frankreich und Belgien gezeigt wurde. Höhepunkte waren mit Sicherheit Deine Kooperation mit den Kollegen des Warschauer Schlosses bei der Ausstellung "Polenbegeisterung. Deutsche und Polen nach dem Novemberaufstand 1830", gezeigt im Warschauer Schloss 2005 und im Museum Europäischer Kulturen 2006, und Deine Auszeichnungen für Dein Engagement in den deutsch-polnischen Beziehungen."Gespräche und Zusammenarbeit auf Augenhöhe" - das war immer Dein Arbeitsgrundsatz und hat Dir bei vielen Kollegen im In- und Ausland hohen Respekt eingebracht. Diese Kooperationen prägen auch das Profil des Museums, das mit seinen internationalen Projekten und Kulturtagen nicht nur im europäischen Ausland unterwegs ist, sondern sich immer wieder auf Deutschland und vor allem auch auf das facettenreiche Berlin bezieht. Und Du warst immer mittendrin - voll engagiert. Bewundernswert ist ebenfalls Dein immenses Fachwissen und Deine unerschöpfliche hohe Allgemeinbildung - nicht umsonst wurde Dein fachlicher Rat immer wieder angefragt, was natürlich auch unserem Haus zu Gute kam.
Innerhalb des Museums hattest Du immer ein offenes Ohr für Deine Mitarbeiter - entsprechend stand Deine Bürotür zum Sekretariat auch stets offen. Du warst mit Leib und Seele dabei, wenn es um unsere Ausstellungen und Veranstaltungen ging - von der Akquise von Drittmitteln bis hin zu den Eröffnungen und nicht zuletzt Führungen durch die Ausstellungen. Mindestens ein ebensolches Engagement hast Du im Sammeln von Objekten bewiesen, die zu den von Dir betreuten Sammelgruppen gehörten - dabei hattest Du Dich schon in der 80er Jahren an der Gegenwart orientiert - auch diese Herangehensweise gehört heute zum Profil des Museums Europäischer Kulturen.
Du hast unzählige Ausstellungen eröffnet - besonders unsere Wanderausstellungen im Föderalen Programm der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Über 160 Publikationen stammen von Dir und man fragt sich, wann Du das alles geschrieben hast- neben dem Museumsalltag, der einen zuweilen auffrisst - aber die Antwort hast Du selbst gegeben: "Die Woche besteht aus 7 Tagen" - ich würde sagen, dass noch ein paar Nächte dazu gekommen sind - aber heute ist Deine letzte berufliche Nacht im Museum. Danach kannst Du Dich voll und ganz Deinen Vorlieben widmen, von denen es eine ganze Reihe gibt - dazu gehört zuförderst der Genuss! Dafür, dass es gleich nach Deiner Pensionierung damit losgehen kann, haben die Kollegenschaft des MEK und die für unsere Ausstellung zuständigen Aufsichtskräfte gesorgt, und zwar mit einer kulinarischen Reise durch mehr als 20 europäische Länder und Regionen.

Im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen sage ich Dir allerherzlichsten Dank und alles Gute für Deinen nächsten Lebensabschnitt - bleibe uns gewogen wie wir Dir gewogen bleiben.

Prof. Dr. Elisabeth Tietmeyer

 

 
Abschiedsfeier Prof.Vanja
Das Claudius-Ensemble aus Potsdam singt zum Abschied
 
Gruppenfoto MEK
Geschenkübergabe
 
Vorstand Verein der Freunde des MEK
Fotos: Ute Franz-Scargiglia

 

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