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Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Generaldirektor,
meine Damen und Herren, liebe Kollegen und Freunde von Herrn Vanja,
lieber Konrad,
auf Deiner letzten Ausstellungseröffnung einer Präsentation
der Geschichte von Weihnachtspyramiden - das war vor drei Wochen
- sagtest Du, dass sich damit Dein persönlicher Kreis in der
Museumsarbeit geschlossen habe. Du habest Dich schon Anfang der
1980er Jahre mit der Kulturgeschichte des Erzgebirges im damaligen
Museum für Deutsche Volkskunde beschäftigt. Deine Motivation
nach Berlin zu kommen bestand nach Deinen eigenen Worten darin,
den Osten Deutschlands aus eigener Anschauung kennen zu lernen -
und Dein größter Wunsch als Europäischer Ethnologe
und Kulturhistoriker sei für Dich gewesen, in dem wichtigsten
volkskundlichen Museum der Bundesrepublik Deutschland zu arbeiten.
Dieses hatte Mitte der 1970er Jahre seine kulturvergleichende Dauerausstellung
zur Lebens- und Arbeitswelt der Unter- und Mittelschichten im 19.
und 20. Jh. in Deutschland eröffnet, u. a. mit Deinem - leider
jüngst verstorbenen - Chef Theodor Kohlmann hattest Du viele
Ausstellungen mit einer großen inhaltlichen Bandbreite organisiert.
Doch Dein Interesse für die Erforschung und Präsentation
von europäischer Populargrafik wurde vor allem durch die ebenfalls
verstorbene Christa Pieske, der deutschen Nestorin der volkskundlichen
Bildforschung, geweckt und befördert. Zusammen mit ihr und
Theodor Kohlmann hast Du Mitte der 80er Jahre unvergessene Ausstellungen
wie "Bilder für Jedermann" und vor allem "Das
ABC des Luxuspapiers" realisiert - der Katalog des ABC wird
heute noch angefragt, denn er ist das Standardwerk zum Thema "Luxuspapier".
Dein großes, bis jetzt andauerndes Engagement für den
von Christa Pieske initiierten und von Dir mitbegründeten internationalen
"Arbeitskreis Bild Druck Papier" gehört zu Deiner
besonderen Leidenschaft. Dieser Arbeitskreis tagt alljährlich
- umfasst stets mehr als 100 Teilnehmer aus verschiedenen Städten
in Deutschland, Italien, Frankreich und der Schweiz - und Du bist
nun der Vorsitzende; institutionell soll der Arbeitskreis weiter
am Museum Europäischer Kulturen angesiedelt sein. Nicht nur
aus diesem Grund wirst Du uns verbunden bleiben.
Der wohl wichtigste Einschnitt in Deinem beruflichen Leben (und
nicht nur in Deinem) war 1992 die Wiedervereinigung der Staatlichen
Museen zu Berlin, vor allem der beiden volkskundlichen Teilmuseen
unter der Ägide von Theodor Kohlmann und der damaligen Direktorin
des Museums für Volkskunde in Ost-Berlin Erika Karasek. Der
Umzug der Sammlungen des Museums für Volkskunde Ost ins westliche
Berlin und die anschließende Neustrukturierung von damals
240.000 Objekten waren ein hartes Stück Arbeit. Auch war die
Kollegenschaft plötzlich doppelt so groß geworden - und
das war ebenfalls ein hartes Stück Arbeit; aber von allen Kollegen,
besonders auch von Dir, war der unbedingte Wille da, gemeinsam die
Zukunft des wiedervereinten Museums zu gestalten - mit Erika Karasek
als Direktorin und Dir als ihren Stellvertreter. Das nunmehr als
Museum für Volkskunde genannte Haus sollte europäischer
werden - das Adjektiv "deutsch" wurde deswegen schon bei
der Wiedervereinigung der Teilmuseen fallen gelassen, weil der national
und Schichten orientierte Ansatz in Forschung und Sammlung ohnehin
längst überwunden war. Vor allem Du, Konrad, hattest Dich
schon in Deinem Studium bei Ingeborg Weber-Kellermann für interethnische
und intersoziale Beziehungen interessiert. An der ersten Ausstellung
in Deutschland zum Thema Migranten (damals noch als "Gastarbeiter"
bezeichnet) warst Du beteiligt - und das war bereits 1972! Und Du
hattest auch immer Kontakt zu den Kollegen der Abteilung Europa
im benachbarten Museum für Völkerkunde (heute Ethnologisches
Museum) - und das aus verständlichen Gründen: Denn wie
kann man Deutschland ohne Europa und umgekehrt Europa ohne Deutschland
betrachten?! Was lag also näher, als die volkskundliche Sammlung
Deutschlands mit der völkerkundlichen Sammlung Europas zusammenzuführen
- nicht zuletzt weil sie vom Sammel- und Ausstellungsansatz gleich
strukturiert waren. Als ich 1993 die Leitung dieser Abteilung Europa
übernahm, trat auch ich in Dein Berufsleben - fest entschlossen,
mit Dir und Deinen Kolleginnen die Fusion des Museums für Volkskunde
und der Abteilung Europa voranzubringen - denn ohne die Zusammenführung
mit dem Museum für Volkskunde wäre die Abteilung Europa
im Museum für Völkerkunde auf verlorenem Posten geblieben
- das hatte ich schnell erkannt. Und die volkskundlichen Sammlungen
sollten in einen internationaleren Kontext gebracht werden - das
stand dem Haus auch gut zu Gesicht - es war also für beide
Institutionen eine win-win Situation. Der Weg zu einem gemeinsamen
Museum war nicht einfach - aber lehrreich - wir haben unendlich
viel voneinander gelernt und uns mit Respekt behandelt. 1999 erfolgte
dann die Gründung des Museums Europäischer Kulturen. Erika
Karasek hatte als Direktorin das Haus bis dahin gut bestellt, so
dass Du, Konrad, es erst kommissarisch, dann als Direktor übernehmen
und Deine eigenen Schwerpunkte setzen konntest, ohne die bisherigen
aufzugeben - dazu gehörte in jedem Fall die thematisch aufbereitete
Populargrafik. Im weitesten Sinne bist Du auch darüber zu Deinem
"regionalen" Schwerpunkt Polen gekommen. Denn die grafische
Popularisierung des sich in der Alten Nationalgalerie befindlichen
Gemäldes von Dietrich Monten zu den polnischen Freiheitskämpfen
1831 hat Dein bereits bestehendes Interesse an der Kulturgeschichte
Polens verstärkt. Mit diesen Grafiken und etlichen anderen
Objekten aus unserer Sammlung hast Du 2001 Deine erste deutsch-polnische
Ausstellung mit dem Titel "Finis Poloniae 1831. Polnisches
Schicksal, deutsches Gemüt und europäische Solidarität"
in unserem Museum präsentiert - mit einem unerwarteten Erfolg.
Von da an hat Dich die Beschäftigung mit Polen nicht mehr losgelassen.
Dazu gehörten vor allem die Sammlung von ethnografischen Objekten
und Werken naiver Kunst aus Polen des Sammlerehepaars Christina
und Hans Joachim Orth. Das Wichtigste war für Dich die Kooperation
mit den polnischen Kollegen, vor allem auch mit der polnischen Botschaft
in Berlin und vielen anderen, die mit Polen zu tun hatten. Dabei
herausgekommen sind außergewöhnliche Gemeinschaftsausstellungen,
vor allem jene Wanderausstellung "Frühling im Herbst.
Vom polnischen November zum deutschen Mai. Das Europa der Nationen
1830-1832", in der es um ebenfalls um die Freiheitskämpfe
ging und die seit 2003 an über 30 Stationen in Deutschland,
Polen, Frankreich und Belgien gezeigt wurde. Höhepunkte waren
mit Sicherheit Deine Kooperation mit den Kollegen des Warschauer
Schlosses bei der Ausstellung "Polenbegeisterung. Deutsche
und Polen nach dem Novemberaufstand 1830", gezeigt im Warschauer
Schloss 2005 und im Museum Europäischer Kulturen 2006, und
Deine Auszeichnungen für Dein Engagement in den deutsch-polnischen
Beziehungen."Gespräche und Zusammenarbeit auf Augenhöhe"
- das war immer Dein Arbeitsgrundsatz und hat Dir bei vielen Kollegen
im In- und Ausland hohen Respekt eingebracht. Diese Kooperationen
prägen auch das Profil des Museums, das mit seinen internationalen
Projekten und Kulturtagen nicht nur im europäischen Ausland
unterwegs ist, sondern sich immer wieder auf Deutschland und vor
allem auch auf das facettenreiche Berlin bezieht. Und Du warst immer
mittendrin - voll engagiert. Bewundernswert ist ebenfalls Dein immenses
Fachwissen und Deine unerschöpfliche hohe Allgemeinbildung
- nicht umsonst wurde Dein fachlicher Rat immer wieder angefragt,
was natürlich auch unserem Haus zu Gute kam.
Innerhalb des Museums hattest Du immer ein offenes Ohr für
Deine Mitarbeiter - entsprechend stand Deine Bürotür zum
Sekretariat auch stets offen. Du warst mit Leib und Seele dabei,
wenn es um unsere Ausstellungen und Veranstaltungen ging - von der
Akquise von Drittmitteln bis hin zu den Eröffnungen und nicht
zuletzt Führungen durch die Ausstellungen. Mindestens ein ebensolches
Engagement hast Du im Sammeln von Objekten bewiesen, die zu den
von Dir betreuten Sammelgruppen gehörten - dabei hattest Du
Dich schon in der 80er Jahren an der Gegenwart orientiert - auch
diese Herangehensweise gehört heute zum Profil des Museums
Europäischer Kulturen.
Du hast unzählige Ausstellungen eröffnet - besonders unsere
Wanderausstellungen im Föderalen Programm der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz. Über 160 Publikationen stammen von Dir und man
fragt sich, wann Du das alles geschrieben hast- neben dem Museumsalltag,
der einen zuweilen auffrisst - aber die Antwort hast Du selbst gegeben:
"Die Woche besteht aus 7 Tagen" - ich würde sagen,
dass noch ein paar Nächte dazu gekommen sind - aber heute ist
Deine letzte berufliche Nacht im Museum. Danach kannst Du Dich voll
und ganz Deinen Vorlieben widmen, von denen es eine ganze Reihe
gibt - dazu gehört zuförderst der Genuss! Dafür,
dass es gleich nach Deiner Pensionierung damit losgehen kann, haben
die Kollegenschaft des MEK und die für unsere Ausstellung zuständigen
Aufsichtskräfte gesorgt, und zwar mit einer kulinarischen Reise
durch mehr als 20 europäische Länder und Regionen.
Im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen sage ich Dir allerherzlichsten
Dank und alles Gute für Deinen nächsten Lebensabschnitt
- bleibe uns gewogen wie wir Dir gewogen bleiben.
Prof. Dr. Elisabeth Tietmeyer
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