Theodor Fontane, Bärwinkel,
aus:
Ders., Das Oderland: Quilitz oder Neuhardenberg,in: Theodor Fontane, Wanderungen
durch die Mark Brandenburg, hrsg. v. Helmuth Nürnberger, München,
Wien 1991, Bd. 1, S. 684ff. (= Hanser Bibliothek)
"1793 starb General von Prittwitz,
1799 seine Witwe. Quilitz blieb aber noch eine Reihe von Jahren hindurch
in Händen der Familie und zwar im Besitz des Geh. Finanzrats Friedrich
Wilhelm Bernhard von Prittwitz, geb. 1764, gest. 1843, ältesten Sohnes
des Generals. Herr von Prittwitz stand zu Hardenberg und Stein in naher
Beziehung, nahm aber 1808 seinen Abschied und lebte seitdem ganz in Quilitz,
bis er die Herrschaft 1810 an den Staat verkaufte (mittelst Tausch), und
dafür die frühere Probstei Casimir im Leobschützer Kreise
Oberschlesiens erwarb.
Aus diesen Jahren, wo v. Prittwitz der Jüngere die Herrschaft innehatte,
wissen wir wenig über Quilitz zu berichten, es sei denn, daß
von 1801 bis 1803 der damals zwanzigjährige Schinkel hier seine ersten
architektonischen Versuche machte. Er begann mit dem Kleinsten, und zwar
mit zwei Wirtschaftsgebäuden, von denen das eine auf dem Vorwerk
Stuthof, das andere auf dem Vorwerk Bärwinkel errichtet wurde, zwei
Ortsnamen, die fast noch weniger, wie die Aufgabe selbst, imstande waren,
seinen Genius zu beflügeln. Aber dieser war eben da und bewies sich
im Kleinen, wie er sich später im Großen bewies. Wenn an diesen
frühesten Bauten Schinkels nur ein Gartensaal im Flemmingschen Schloß
zu Buckow ist noch älter etwas zu tadeln ist, so ist es das, daß
der Genius des jungen Baumeisters, der Zug nach idealeren Formen sich
hier an der unrechten Stelle zeigt. Diese Wirtschaftsgebäude machen
etwa den Eindruck, wie wenn ein junger Poet einen wohlstilisierten und
bilderreichen Brief an seine Wirtsfrau oder deren Tochter schreibt. Der
Stil, die Sprache, sind an und für sich tadellos, nur die Gelegenheit
für den poetischen Ausdruck ist schlecht gewählt; Gemeinplätze
wären besser. Schinkel selbst, der in späteren Jahren mit so
besonderem Nachdruck der Anlehnung an das Bedürfnis das Wort redete,
würde diese, einer höheren Form huldigenden Wirtschaftsgebäude,
speziell das auf dem Vorwerk Bärwinkel, zwar mit Interesse, aber
sicherlich auch mit Lächeln wieder betrachtet haben. Indessen, wie
jugendlich immer: ex ungue leonem. Je unverkennbarer dies hervortritt,
um so auffallender ist es, daß eine Zuschrift an Herrn von Wolzogen,
den Herausgeber der Schinkelschen Briefe, gerade dieses interessante,
aus Raseneisenstein und Eisenschlacken errichtete Wirtschaftsgebäude
dem Zimmermeister Tietz in Friedland und dem Maurermeister Neubarth in
Wriezen hat zusprechen wollen. Herr von Wolzogen hält dieser Zuschrift
gegenüber seine ursprüngliche, auf einen Ausspruch Waagens gestützte
Ansicht zwar aufrecht, aber doch mit einer gewissen Unsicherheit, die,
wir zweifeln nicht daran beim Anblick des Gebäudes selbst sofort
der festen Uberzeugung Platz machen würde: dies ist von Schinkel
und von niemand andrem. Es ist sehr die Frage, ob die architektonischen
Kräfte zweier kleiner Städte selbst in unsern Tagen, nachdem
Schinkel eine Schule herangebildet hat, fähig sein würden, einen
so originellen, alle Schablone vielleicht nur allzusehr verleugnenden
Bau aufzuführen, damals aber (I803) vermochten es die vereinten Baukräfte
von Friedland und Wriezen sicherlich nicht. Ich neige mich sogar der Ansicht
zu, daß die Verwendung von Schlacke und Raseneisenstein, eines Materials,
das hierlandes nie als Baumaterial verwendet worden ist, dort aber zufällig
zur Hand war, allein schon als Beweis dafür dienen darf, daß
der Bau von Schinkel herrühren muß. Gerade in dieser genialen
Benutzung des zufällig Gebotenen war er ja so hervorragend. Das Ganze
(ein Molkenhaus) hat die Form einer Basilika: ein Hochschiff und zwei
niedrige Seitenschiffe. Wenn aber eine Basilika die prachtvolle breite
Giebelwand nach vorne stellt, und dieselbe als Portal benutzt, so hat
Schinkel bei diesem Bau das umgekehrte Arrangement getroffen. Er hat den
breiten Frontgiebel als Hintergrund und die Apsis nach vorne genommen,
die nun als Eingang dient. Und wie vieles auch sich gegen ein Basilika-Molkenhaus
sagen lassen mag, darüber kann für mich kein Zweifel sein, daß
Friedland-Wriezen damals solchen Einfalles nicht fähig war."
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